Der Schweizer René Gardi (1909-2000) erklärte uns über Jahrzehnte hinweg den afrikanischen Kontinent und seine Bewohner. In Büchern, Fernsehsendungen und Filmen schwärmte er von den schönen nackten Wilden und der vormodernen Zeit, in der sie lebten. Die angeblich heile Welt wurde zu Gardis Paradies und Afrika zur Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Zuhausegebliebenen.
Der Film AFRICAN MIRROR erzählt die Geschichte unseres problematischen Afrikabildes anhand Gardis Archiv, in dessen ambivalenten Bildern sich unser europäisches Selbstverständnis vielfach spiegelt. Der Film entlarvt das Bildermachen als eine Form des Kolonialismus und zeigt, wie wir uns bis heute einem Blick in diesen Spiegel verweigern.
Trailer
News
AFRICAN MIRROR kann ab sofort als Video On Demand gestreamt werden.
Für Zuschauer*innen aus der Schweiz
- Deutsche Originalfassung: Vimeo oder Cinefile
- Version française: Theatrical VOD
Für Zuschauer*innen ausserhalb der Schweiz
- Mit deutschen Untertiteln
- with English subtitles
- Version française
Festivals:
Berlinale Forum (World Premiere)
Thessaloniki Documentary Film Festival (International Competition)
Dokumentarfilmwoche Hamburg
Docaviv Tel Aviv International Documentary Festival (Depth of Field Competition)
dokKa Dokumentarfestival Karlsruhe
International Film Festival Cinematik Piešťany
Kino Visions Festival Marseille
Mostra São Paulo International Film Festival (New Filmmakers Competition)
Viennale Vienna International Film Festival
Französische Filmtage Tübingen/Stuttgart
IDFA International Documentary Film Festival Amsterdam (Best of Fests)
Beijing International Short Film Festival
Solothurner Filmtage (Competition "Prix de Soleure")
Miradas Doc Festival Tenerife (International Competition)
FrancoFilm Festival Dubai/Abu Dhabi
Edimotion Festival für Filmschnitt und Montagekunst
International Film Festival Innsbruck
IsReal festival di cinema del reale Sardegna
Preise:
Nomination Schweizer Filmpreis
Kino:
Kinostart Deutschschweiz: 14.11.2019
Kinostart Romandie: 11.11.2020
Spezialveranstaltungen (Auswahl):
18.11.2019 Kino Rex, Bern. Gespräch mit Christof Dejung, Professor für Neueste Geschichte, Universität Bern. Moderation: Kaspar Surber, Historiker und Redaktor WoZ
19.11.2019 Kino Riffraff, Zürich. Gespräch mit Gesine Krüger, Professorin für Geschichte der Neuzeit, Universität Zürich. Moderation: Monika Dommann, Professorin für Geschichte, Universität Zürich. Kooperation mit dem Geschichtskontor des Historischen Seminars der Universität Zürich
21.11.2019 Stattkino, Luzern. Gespräch mit Felix Rauh, Historiker
28.11.2019 Kino Fachwerk, Allschwil. Gespräch mit Calvin Minfegue Assouga, Politikwissenschaflter der Université Catholique d’Afrique Centrale Yaoundé und Julia Büchele, Kulturwissenschaftlerin. Kooperation mit dem Zentrum für Afrikastudien der Universität Basel
29.11.2019 Kino Rex, Biel/Bienne. Gespräch mit Serena O. Dankwa, Sozialanthropologin und Geschlechterforscherin
Pressestimmen:
„In seiner brillanten Montage aus Gardis eigenem Archivmaterial, Texten wie Bildern, verzichtet Mischa Hedinger auf jeglichen Kommentar und lässt stattdessen das Material über und gegen seinen Macher sprechen. Ein auf so vielen Ebenen souveräner Film.“
Hannah Pilarczyk, Spiegel Online
„Der Film ist gescheit gemacht, weil er Gardis Afrikabild mit den eigenen Waffen entlarvt: eine Demontage durch Montage.“
Pascal Blum, Tages-Anzeiger
„Ein ungemein kluger, mehrfach verspiegelter Essay zum postkolonialen Selbstverständnis der Schweiz.“
Florian Keller, Wochenzeitung WOZ
„Hedinger illuminates what is artfully obscured in colonial ethnography. European motives. AFRICAN MIRROR is an important readjustment of focus, which will certainly throw up many questions and discussions.“
Fenja Akinde-Hummel, The Upcoming
„Der längst fällige Film zur postkolonialen Schweiz, der bedingungslos dem Stillmittel der Montage vertraut.“
Monika Dommann (Professorin für Geschichte, Universität Zürich), cargo
„A portray of a well-meaning racist-filmmaker. Top 10 of Berlinale 2019.“
„Mit der afrikanischen Realität hatte das wenig zu tun“
Interview mit Mischa Hedinger in „Der Bund“
„Einige der klügsten Filme sind bei der diesjährigen Berlinale solche, die sich mit Afrika befassen. Wie eben "African Mirror", in dem der Schweizer Filmemacher Mischa Hedinger das Lebenswerk seines Landsmanns Gardi kritisch aufbereitet und auseinandernimmt.“
Philipp Stadelmaier, Süddeutsche Zeitung
"African Mirror hinterfragt Afrika-Erklärer Gardi"
Tagesschau Schweizer Fernsehen und Radio SRF
„Mittels geschickter Montage entlarvt Hedingers Film Gardis Bild- und Tonproduktion als ein Herrschaftsinstrument des Kolonialismus, zeigt, dass Geschichte macht, wer über rechtliche und technologische Möglichkeiten verfügt, Bilder und Töne herzustellen.“
Friederike Horstmann, Filmbulletin
„Ein fulminanter Dokumentarfilm."
Caroline Fetscher, Tagesspiegel
„A work of cinematographic field research. It is about the transcontinental history of media, their means of production and how in 20th-century Switzerland both were influenced significantly by one flamboyant character. African Mirror does indeed function as a mirror which equally serves to reflect on present-day images of Africa.“
Dorothee Wenner, Berlinale Forum
„Working with infested images“
Interview with Mischa Hedinger on Kinoscope
„Strong.“
Berlinale critic’s jury - critic.de
Andrey Arnold (Die Presse), Dunja Bialas (artechock), Hannes Brühwiler (critic.de), Kevin B. Lee (alsolikelife)
„Hedinger’s journey into Gardi’s powerful imagination is not only a political journey into our relationship with Africa, but also a journey throughout filmmaking and its political consequences.“
Giuseppe Di Salvatore, Filmexplorer
„An eye-opening documentary essay.“
Carlota Moseguí, Cineuropa
„The strategy with which Hedinger uses Gardi's material not only turns the African continent into a mirror, it also illustrates how the cinematic medium can be used to manipulate and affect consciousness.“
Kalliopi Pouthouroglou, Cinephilia.GR (in Greek)
„This film offers a rare opportunity to reflect on the function of images.“
Mathieu Li-Goyette, Panorama-Cinema (in French)
„Hedinger unravels what is behind words and intentions by opposing image and narration.“
Ramon Rey, Cinemaldito (in Spanish)
„When Gardi's opinions invade the media, political decisions and religious discourses, African Mirror reaches an exceptional breadth in content for its rather small archival images close to the square format (…) The film makes a powerful statement for the image as a political tool.“
Bruno Carmelo, Papo de Cinema (in Portugese)
Directors Statement
Durch längere Aufenthalte in Westafrika wurde ich mir meiner persönlichen Verstrickung in Vorurteile und klischierte Afrikabilder bewusst. Ich verbrachte unter anderem sieben Monate in Burkina Faso, wo ich für eine NGO Imagefilme realisierte. Die Rolle als weißer Filmemacher in einem Land, mit dessen Geschichte und Kultur ich nur bedingt vertraut war, löste in mir oft Unbehagen aus. Ich wurde sensibilisiert für Afrikabilder und deren mediale Vermittlung.
Ich erinnerte mich an die Afrikabücher René Gardis in meinem Elternhaus. Der Schweizer Reiseschriftsteller René Gardi (1909-2000) erklärte uns über Jahrzehnte hinweg den afrikanischen Kontinent und seine Bewohner. In unzähligen Büchern, Fernseh- und Radiosendungen und Filmen schwärmte er von den schönen nackten Wilden und der vormodernen Zeit, in der sie angeblich lebten. Gardis Erzählung stieß weit über den deutschsprachigen Raum auf großes Interesse. Seine Bücher wurden in dutzende Sprachen übersetzt, seine Filme liefen im japanischen und britischen Fernsehen. Für seinen Dokumentarfilm MANDARA - ZAUBER DER SCHWARZEN WILDNIS, der 1960 im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin lief, erhielt Gardi eine lobende Erwähnung.
Dann erfuhr ich vom noch kaum bearbeiteten Nachlass von René Gardi. Ein Archiv mit Tagebüchern, Briefen, Zeitungsartikeln, Filmrollen, Tonbändern und über 30.000 Fotografien, der größte Teil davon unveröffentlicht. Gardis Afrika war subjektiv und konstruiert. Die Szenen in seinen Filmen waren oft sorgfältig inszeniert, so dass sie keine Spuren von „Modernität“ zeigten. Das Leben in den Großstädten wurde bewusst ausgeblendet. Diese Sicht auf Afrika erzählt viel über Europa. Man sehnte sich zurück nach einfachen, bäuerlichen Zeiten fern jeglicher Industrialisierung. Andererseits wollte man aus den konservativen Gesellschaften ausbrechen und eine andere Form von Freiheit finden. Die Freiheit der Weißen beruhte auf der Unfreiheit der schwarzen Menschen. Sobald die afrikanischen Staaten unabhängig wurden, die Bewohner also ihre eigene Freiheit erlangten, fühlten sich die Weißen in Afrika nicht mehr frei.
Es ist bemerkenswert, dass René Gardi selbst die Widersprüche in seinem Werk nie thematisiert hat. Ich frage mich, ob sie ihm bewusst waren? Aus Gardis Sicht war Afrika das Land der Freiheit, Afrikaner waren wahre Demokraten, denen man jedoch selbstverständlich die Gehöfte niederbrennen musste, wenn sie die koloniale Steuer nicht bezahlten. Sich selbst verstand Gardi dabei nicht als Teil des Problems. Er sah sich als Beobachter, der die Wahrheit möglichst ungekünstelt festhielt.
René Gardi liess die Europäer von Abenteuern und Freiheiten träumen, in einer Zeit, in der den meisten Menschen solche Reisen unmöglich waren. Viele Schweizerinnen und Schweizer haben Afrika durch Gardi kennengelernt. Es ist, als kreierte er mit seinem Werk Kolonien für die Schweiz. Das Verhältnis der Schweiz zum Kolonialismus wird heute oft als «Kolonialismus ohne Kolonien» beschrieben. Die Schweiz besaß selbst nie Kolonien, profitierte aber finanziell vom Handel mit den Kolonialmächten. Auch das Bildermachen und Verkaufen, wie es Gardi praktizierte, war ein wichtiger Bestandteil dieser anderen Art von Kolonialismus. Bis heute gab es keine kritische Auseinandersetzung mit Gardis Werk, immer wieder erlag man seinen Schwärmereien.
Als ich während meinen Recherchen einen Gerichtsfall rund um René Gardi entdeckte, war ich sehr überrascht. Gardi wurde 1945 wegen «Unzucht mit Kindern» verurteilt. Bis heute gibt es keine Aufarbeitung dieser Missbrauchsfälle, man schwieg sich darüber aus. Es lassen sich unschwer Verbindungen zwischen Gardis sexueller Neigung und seiner Afrika-Obsession erkennen. Die Suche nach einer unschuldigen Reinheit beispielsweise, scheint ein Leitmotiv Gardis zu sein.
Mein Film AFRICAN MIRROR besteht fast vollumfänglich aus Bild-, Ton- und Textdokumenten aus dem Archiv von René Gardi. In der Montage des Materials versuche ich die Widersprüche und Konflikte dieses Archivs herauszuarbeiten. Bild und Ton werden in ein neues Verhältnis gesetzt, die Bilder beginnen zu denken. Ohne einen einordnenden Kommentar oder Interviews werden die Zuschauerinnen und Zuschauer mit Gedanken und Erlebnissen von René Gardi konfrontiert. Der Film schafft so einen Erfahrungsraum, der zum Mitdenken anregt und die eigene Verstrickung in koloniale Denkweisen zeigt.
Der Film AFRICAN MIRROR erzählt die Geschichte unseres Afrikabildes. Das Afrikabild des Westens ist bedingt durch die Selbstwahrnehmung. Man sieht sich im Anderen. Jede Gesellschaft hat das Bedürfnis nach Bildern des Anderen, um dadurch ihre eigene Identität zu bestimmen. Ich denke, dass Gardis Werk nicht von Afrika und den AfrikanerInnen handelt, sondern von uns und unserer Geschichte erzählt. Oder um es mit den Worten des kamerunischen Philosophen Achille Mbembezu sagen: „Das, was wir „Afrika“ nennen, ist eine Ansammlung von Wünschen, Sehnsüchten und naiven Fantasien. Diese werden gefördert, weiterverbreitet und bewirtschaftet.“
Mischa Hedinger
Weiterführende Texte zum Film finden sie in unserem Reader, der als Publikation in den Kinos aufliegt. Der Reader soll eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Film und den Fragen, die dieser aufwirft ermöglichen. Als Pdf herunterladen.
Credits
Buch, Regie, Schnitt
Mischa Hedinger
Dramaturgie, Schnitt
Philipp Diettrich
Sprecher René Gardi
Markus Amrein
Sprecherin
Rachel Braunschweig
Musik
Machinefabriek (Rutger Zuydervelt)
Wissenschaftliche Beratung
Felix Rauh
Gaby Fierz
Farbkorrektur und Postproduktionsassistenz
David Röthlisberger
Sounddesign
Fabian Gutscher
Daniel Hobi
Sprecheraufnahmen & Mischung
Daniel Hobi
Untertitel
Peter Jud
Pierre Soltermann
Archiv
Staatsarchiv des Kantons Bern
Beratung und Assistenz Archiv
Silvia Bühler
Digitalisierungen Fotos
Lea Ritter
Staatsarchivarin
Barbara Studer Immenhauser
Digitalisierungen Film
Lichtspiel / Kinemathek Bern
Brigitte Paulowitz
Christine Gissler
Eliane Antonia Maurer
David Landolf
Mediendokumentation, Archiv SRF
Corina Zuber
Musik Lizenzierung
Claudio Bucher
Grafische Gestaltung
Lars Egert
Produktion
Simon Baumann
ton und bild GmbH
Produktionsassistentin
Kathrin Gschwend
In Koproduktion mit
SRF Schweizer Radio und Fernsehen
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Ernst Göhner Stiftung
éducation 21 I Filme für eine Welt
Burgergemeinde Bern
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